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Was tun gegen den Fachkräftemangel?

4. Mai 2022

Der Mangel an Fachkräften hat sich in der Tourismuswirtschaft noch dramatischer entwickelt als ohnehin schon in fast allen Branchen. Was könnte helfen? Im Berliner Skål-Monatsmeeting am 2. Mai suchten vier Experten in einem Podiumsgespräch nach Antworten. 

Sage und schreibe 12.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hat allein die Berliner Gastronomie in der Pandemie verloren. Diese erschreckend hohe Zahl nannte Julian Algner, auf dem Podium als Vertreter der IHK Berlin mit Zuständigkeiten für Wirtschaft & Politik. Viele von ihnen, ebenso wie Kolleginnen in Hotels und Attraktionen, haben die Branche auf immer verlassen. Zu schmerzlich haben sie erfahren müssen, dass sie die ersten sind, die in der aktuellen und wohl auch allen zukünftigen Pandemien ihre Arbeit verlieren. Und das, nachdem sie schon vor der Pandemie oftmals schlecht bezahlt und mit schwierigen Arbeitszeiten beschäftigt waren. Nachwuchs könnte helfen, aber zu wenige beginnen bei solchen Aussichten eine Berufsausbildung in der Tourismuswirtschaft. Aigner brachte allerdings Lichtblick mit: „Die Talsohle bei der Ausbildung ist jetzt durchschritten; das sieht man an der Zahl der Neuverträge.“

Michael Biel, Staatssekretär für Wirtschaft des Senats Berlin, schilderte die Herausforderung an die Politik: „Wir müssen alles daransetzen, dass der Tourismus Fachkräfte gewinnt – nicht in drei Jahren, sondern am besten vorgestern.“ Die Ausbildungsinitiative im Berliner Koalitionsvertrag komme auch der Tourismuswirtschaft zugute. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik sei nicht „nicht am grünen Schreibtisch, sondern nur mit Ihnen gemeinsam machbar“, appellierte er an die 23 Skål-Mitglieder im Publikum aus vielen Betrieben. Seitens der Politik gehe es auch darum „Regularien zu überdenken“, also unnötige bürokratische Hürden zu beseitigen. Nach 134 Tagen im Amt sei er weiterhin zuversichtlich. „Ich lebe noch und lächle noch.“

Für die Wirtschaft saß Oliver Winter auf dem Podium. Als CEO der CEO a&o Hotels und Hostels GmbH, die rund 27.000 Zimmer an 40 Standorten in 9 europäischen Ländern betreibt und allein in der Berliner Verwaltungszentrale 150 Mitarbeiter beschäftigt. Sein Unternehmen hätte so viele Ausbildungsplätze wie vor zehn Jahren, könne sie aber nicht alle besetzen. Dies gelte vor allem für den operativen Bereich, also die tägliche Arbeit in den Hostels und Hotels. „Wir nehmen jeden, der die Tür findet – wer nicht volltrunken kommt, hat eigentlich schon den Job, aber weiß es noch nicht.“ Denn, so Winter weiter: „Jeden, den wir kriegen, nehmen wir und backen den dann so hin.“

Sendy Mangelmann, Studierende der Tourismusbetriebswirtschaft an der HWR Berlin schlug vor, jungen Menschen in der Ausbildung weitaus mehr Gehör als gewohnt zu schenken. „Wenn man ihnen nicht zuhört, sind sie nach drei Jahren oder schon früher wieder weg.“ Mit den kargen Ausbildungsvergütungen sei es vielen angesichts der hohen Mieten auch schlicht unmöglich, zum Beispiel aus Brandenburg nach Berlin zu ziehen.

Wieder einmal war auch die duale Berufsausbildung Thema, als Alternative zum Tourismus-Studium, das im Gegensatz dazu nicht an Nachwuchsmangel leidet. Im dualen Studium seines Unternehmens gebe es keine Einbrüche, sagte Winter. „Wir brauchen aber auch Indianer, nicht nur Häuptlinge.“ Die berufliche duale Ausbildung werde im Ausland bewundert, aber in Deutschland zu wenig geschätzt. Darin waren sich, wie eigentlich in allen Punkten, die Podiums-Teilnehmer auch einig. 

So wie auch abermals allen klar war, dass Arbeitsverbote für qualifizierte Zuwanderer nicht mehr zeitgemäß seien. „Den Schatz an Menschen, die arbeiten wollen, müssen wir heben“, sagte Winter. „Sieben Jahre warten auf Ausbildungsplatz geht gar nicht, das können wir nicht machen“, sagte der IHK-Vertreter Algner. Er bezog sich auf den tatsächlichen Fall einer Bauingenieurin aus der Ukraine, die lange vor dem Krieg gekommen war und so lange keine deutsche Ausbildung beginnen durfte. 

Die Moderatorin Bettina Reinfeld, Präsidentin des Skål International Berlin, befragte nicht nur die Experten am Tisch, sondern bezog auch die Mitglieder ein. Der Münchner Skål-Präsident Alan Wissenberg lobte die IHK-Berlin für ihren Einsatz. Prof. Hartwig Bohne merkte an, dass Mitarbeiter in der Hotellerie ausreichend Deutsch können müssen. „Die Gäste erwarten das.“ Und Alex Elsohn, ebenfalls Past-Präsident des Skål Berlin, sprach das alte Grundproblem der Tourismuswirtschaft mit dem Fachkräftemangel an, das schon bei den Erwartungen der Gäste beginne. „Wir müssen den Leuten erklären: Billigurlaub heißt auch Billiglöhne.“Gastgeber des Treffens war die SFT Schule für Wirtschaft für Tourismus, die im Obergeschoss des a&o Berlin Hauotbahnhof in der Lehrter Straße ihr Domizil gefunden hat. Wie immer klang das Monatstreffen bei gutem Essen und Gesprächen im Skål-Geist des „Doing business among friends“ aus.

 

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