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SKAL BERLIN im Langenbeck-Virchow-Haus

7. Juli 2022

Wer durch das Kulturkaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße schlendert, stellt schnell fest, welches Thema die Berlin-Literatur gerade besonders gern aufgreift: vergangene Epochen – und ganz besonders „verlassene Orte“ der Hauptstadt. Einschlägige Bildbände, Romane, Filme oder Dokumentationen sind stark nachgefragt, auch von Touristen der Hauptstadt. 

Woher kommt das Interesse an den „lost places“? Und wie lässt es sich touristisch nutzen? Diesen Fragen ist Skål Berlin bei seinem Monatstreffen im Juli nachgegangen – an genau solch einem Ort, dem Langenbeck-Virchow-Haus. Im Jahr 1913 von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie errichtet, dient der imposante Bau seit 2005 seinem neuen Zweck als medizinisches Fortbildungszentrum.

Vor allem Emotionen prägen touristische Erlebnisse und Produkte, lassen diese auf unterschiedlichen Zielgruppen jeweils vollkommen anders einwirken. Medien aller Art erzeugen immer wieder Aufmerksamkeit und damit starke Gefühle für Vergangenes. So entstehen in den Köpfen Geschichten. An Beispielen für diesem Prozess fehlt es nicht, schon gar nicht rund um die DDR-Geschichte: 

•          Die Dokumentation über Wilhelm Pieck bei ZDF History 

•          Die Populäre Fernsehserie "Charité" in der ARD 

•          Der Oscar-prämierte Film "Das Leben der Anderen"

Bei den Zuschauern manifestiert sich ein bestimmtes Bild von den Handlungsorten.

Besuchen sie dann Berlin, möchten sie die Schlüsselmomente nacherleben. Touristikern stellt sich daher die Frage: „Wo und wie kann ich die Spuren von damals auffindbar machen?“

Das Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin-Mitte ist von vielen historischen Epochen geprägt. Anfänge der industriellen Medizin, Erster Weltkrieg, 20er-Jahre, Zweiter Weltkrieg, DDR, Wendezeit. Dank der grandiosen Führung von Bernd Schafmeister (AESCULAP-Akademie) ließen sich die Mitglieder von Skål International Berlin schnell von der Historie packen. 

Anschließend diskutierten sie. Ist die Bezeichnung „lost place“ für diese Sehenswürdigkeit überhaupt angemessen? Ganz klar; die Betitelung ist reißerisch gewählt. Und doch einigten sich die Mitlieder auf eine sinnvolle touristische Klassifizierung: 

Es gibt zum einen die allgemeine Definition, „verlassene Orte“. Hierzu zählen Bauten wie die allseits bekannten Grabow Heilstätten, die Irakische Botschaft in Pankow oder das Stadtbad Lichtenberg. Nach Auffassung des Vorstandsmitglieds Max Hübner handelt es sich um nicht  öffentlich zugängliche Anziehungspunkte. Der „Verbotenheitsfaktor“ sei demnach eine Kraft, die Menschen zu einem Besuch animiert. Das Langenbeck-Virchow-Haus – oder auch das Funkhaus Berlin – seien dagegen historische Gebäude, die eine neue, auch öffentliche Nutzung gefunden haben und daher leichter touristisch zu vermarkten seien. 

Die Diskussion führte zu Handlungsempfehlungen für touristische Anbieter – zu eine Wegweisung, wie das Interesse an „verlassenen“ Orten im engeren und historischen Gebäuden im weiterem Sinne als Wirtschaftspotenzial fruchtbar gemacht werden kann: 

•          Kooperationen mit spezialisierten Anbietern eingehen – So gibt es Internetportale wie GETYOURGUIDE oder auch 22Places, die Ausflüge ausweisen, um ihre Zielgruppen  zu unterhalten. Wer es als touristischer Leistungsträger schafft „lost places“ – als Geheimtipp für seine Kunden – in solche Ausflüge einzubinden, kann eine Provision vom Vermittlungsportal erzielen oder vielleicht auch selbst Ausflüge anbieten.

•          Deals mit anderen Leistungsträgern eingehen –  Oftmals gibt es Unternehmen, deren Firmensitz das entsprechende Gebäude ist - diese finden ggf. Wege für kommerzielle Besichtigungen.

•          Wer ein Hotel in der Nähe betreibt, sollte seinen Gästen entsprechende Medien empfehlen, die den „vergessenen Ort“ thematisieren oder bei denen die Orte in die Handlung eingebunden werden. Hierzu könnte das Arbeiten mit dem Video-Portal YouTube zur gängigen Methode werden. Seit prinzipiell jeder gewerbliche oder unterhaltende Content im Internet zur Verfügung steht, ist dies keine zu große Herausforderung für Hotelbetreiber. Es macht keine große Mühe, solche Links schon in die Emails der Buchungsbestätigungen einzufügen. 

Zusammengefasst heißt dies aus tourismuswirtschaftlicher Sicht: Viele Touristen wollen heute nicht mehr einfach nur Orte auf einer „Bucket-List“ abhaken, sondern Besonderes erspüren. Erst damit bleibt ein Besuch nachhaltig im Kopf, im Gedächtnis unauslöschlich verbunden mit dem bestimmten Erlebnis. Dies wiederum erhöht die Chance auf weitere Besuche und Hotelbuchungen. Während die meisten Touristiker nach alter Väter Sitte immer noch in „Sehenswürdigkeiten“ denken, haben innovative Kollegen immer eine spannende Geschichte vor Augen, das Narrativ. Nur so wird  aus der langweiligen „Besichtigung“ ein prickelnder Geheimtipp, nur so bleibt die Stadt und genau das Hotel dazu auf ewig in Erinnerung. Mit etwas Geschick des Anbieters bleibt die positive Emotion mit den Leistungsträgern verbunden. 

Die Diskussion erwies sich als ein gutes Beispiel dafür, wie hilfreich der persönliche Austausch zwischen Tourismusexperten im einzigartigen Geist des „Doing business among Friends“ von Skål ist, um Ideen zu finden und zu bündeln, am Ende auch sein eigenes Angebot zu optimieren. 

Der Berliner Club bedankt sich herzlich bei allen Beteiligten, die diesen reichen Erfahrungsaustausch ermöglicht haben.   

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